Herausgeberschaft
AEON – Forum für junge Geschichtswissenschaft
Wissenschaftliche Kommunikation – auch in den Geistes- und Sozialwissenschaften – findet heute zunehmend online statt. Dabei werden Ideen, Erkenntnisse und Meinungen ausgetauscht und zugleich eine für den beruflichen wie akademischen Alltag notwendige breite Vernetzung von Wissenschaftlern unterschiedlicher Disziplinen erreicht. Trotz dieser kommunikativen Veränderung ist auffällig, daß es für Nachwuchswissenschaftler nach wie vor eher schwierig ist, auch aktiv an den etablierten Diskursen der Fachpresse und einschlägiger Internetforen teilnehmen zu können. Ein nicht weniger problematischer Aspekt ist, daß neben der fehlenden wissenschaftlichen Profilbildung auch kaum Gelegenheit besteht, auf eigene Initiative hin die berufsnotwendigen Netzwerke über das eigene Institut oder die heimische Universität hinaus frühzeitig zu bilden.
In Zusammenarbeit mit dem Meine-Verlag zeigt das OpenAccess-Journal AEON, wie diesem Problem aus studentischer Initiative begegnet werden kann. Dabei setzt es verstärkt auf eine, auch die gegenwärtigen technischen Möglichkeiten ausnutzende Verbindung konventionellen Wissenschaftsaustauschs über Aufsätze und Beiträge mit der modernen Forenkultur des Internets. Über den reinen Publikations- und Diskussionscharakter hinaus wird das Projekt daneben auch in einem berufspraktischen Kontext verortet, indem Fähigkeiten und Fertigkeiten redaktionellen Arbeitens vermittelt werden.
Untersuchung
Leipziger Wissensspeicher in der zweiten Diktatur
Typische und atypische Verläufe der sozialistischen Transformation des ostdeutschen Bibliothekswesens anhand eines personalpolitischen und bestandsspezifischen Entwicklungsvergleiches der Deutschen Bücherei, der Universitätsbibliothek Leipzig und der Stadtbibliothek Leipzig vom Kriegsende bis zum Einsetzen der Bibliotheksreform in der DDR (1945–1968/69)
Bibliotheken sind (neben Archiven) zentrale Studien‐ und Forschungseinrichtungen, die in Demokratien durch einen öffentlichen Zugang wie auch den inhaltlichen Pluralismus ihrer Bestände den Benutzer in die Lage versetzen, nicht nur unterschiedliche Informationen zu erhalten, sondern diese auch kritisch gegeneinander abzuwägen, eigenverantwortlich miteinander in Beziehung zu setzen und so neue Erkenntnisse zu gewinnen. Ein solch individueller und kritischer Umgang mit Wissens‐ und Informationsvorräten ist jedoch in autoritären und totalitären Systemen, die in starkem Maße auf eine Entdifferenzierung der gesamten Gesellschaft hinwirken, unerwünscht.
Besonders deutlich wird dies in der jüngeren deutschen Vergangenheit: Die Bibliotheksarbeit in Deutschland wurde bereits während der Zeit des Nationalsozialismus vielfältigen äußeren Zwängen unterworfen, die sich personalpolitisch und bestandsspezifisch in den einzelnen Einrichtungen niederschlugen. Mit dem Zusammenbruch des „Dritten Reichs“ endete der politische Druck der Diktatur dabei binnen kürzester Zeit für einen Großteil der deutschen Bibliotheken – jedoch nicht für alle.
Mit der sowjetischen Besetzung Ostdeutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg verband sich auch eine Transformation des dortigen Bibliothekswesens. Unter sowjetischer Ägide gelang es trotz Befreiung vom Nationalsozialismus nicht, die Bibliotheken der SBZ/DDR wieder in ideologisch‐politisch wertfreie Räume – sozusagen freie Wissensspeicher – zu verwandeln. Vielmehr wurden Bibliotheken – der bis dahin herrschenden Weltanschauung entgegengesetzt – neuerlich zu ideologischen Einrichtungen, die ihren Beitrag zur kommunistischen Durchherrschung der Gesellschaft besonders in den Bereichen Bildung, Ausbildung und Studium leisten sollten.
Das Forschungsprojekt versteht sich als Beitrag zur zeitgeschichtlichen Bibliotheksforschung und versucht mit Blick auf die SBZ/DDR, aktiv das Forschungsdesiderat zu beheben, daß bisher keine kritisch-systematische Darstellung zur Politisierung und Ideologisierung des Bibliothekswesens in der zweiten deutschen Diktatur vorliegt. Die Leipziger Bibliothekslandschaft eignet sich für eine solche Untersuchung besonders gut, da sie bereits um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert nicht nur über eine Vielzahl wissenschaftlicher Instituts‐, Fach‐, Spezial‐ und Privatbibliotheken verfügt, sondern mit der Deutschen Bücherei, der Universitätsbibliothek und der Stadtbibliothek auch drei traditionsreiche und überregional bekannte Bibliotheken auf dichtestem Raum versammelt.
Die in der spartenspezifischen Mikrostudie „Leipziger Wissensspeicher in der zweiten Diktatur“ entwickelten sowie reflektierbaren Zusammenhänge, die neben bildungsbezogenen und wirtschaftlichen auch rechtsgeschichtliche Aspekte aufgreifen, werden dabei nicht nur zur neueren Bibliotheksgeschichte, sondern auch generell zur Totalitarismusforschung einen wesentlichen Beitrag leisten.
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